Die Medizin spricht von postnatalen Stimmungskrisen, im Volksmund nennt man diese Zeit die ‚Heultage‘. Obwohl es sich dabei um eine tatsächliche Erkrankung handelt, werden diese Stimmungstiefs oft abgetan und nur auf eine hormonelle Veränderung im Körper der Frau reduziert.
Dabei leidet aber etwa jede zehnte Mutter im zeitlichen Zusammenhang mit dem Wochenbett unter Stimmungsschwankungen, die von leichter Traurigkeit, über Wein-krämpfe und Depressionen bis hin zu einer psychotischen Erkrankung führen können. Was bisher jedoch wenig bekannt ist, ist die Tatsache, dass auch eine nicht uner-hebliche Anzahl an Vätern von diesen Stimmungsschwankungen betroffen sind.
In der mildesten Form des Krankheitsbildes klingen die allgemeine Irritierbarkeit, die Überempfindlichkeit, die übermäßigen Sorgen um das Kind und Schlaf-störungen schon nach wenigen Tagen, manchmal sogar Stunden wieder ab. Daher wird der Babyblues oft als Verstimmung gesehen, die vom sozialen Umfeld der Eltern nicht weiter beachtet wird. Man geht davon aus, dass die schlechte Laune von selbst vergeht oder erwartet, sich einfach etwas besser im Griff zu haben.
Tatsächlich leidet die Mutter oder der Vater aber sehr in dieser Situation und benötigt die Unterstützung von Familie und Freunden. Zu den oben genannten Problemen, die oft auch eine körperliche Erschöpfung mit sich ziehen, kommen gravierende Selbstzweifel. Sie/Er spürt, dass sie/er nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, sich um ihr/sein Baby zu kümmern.
Ja manchmal sind Eltern unter dem Einfluss postnataler Stimmungsschwankungen vorübergehend nicht einmal in der Lage ihr Baby zu lieben. Kein Wunder, dass das die Angst erzeugt, eine schlechte
Mutter oder ein schlechter Vater zu sein!
Ursachen
Selbst Experten sind komplett unterschiedlicher Meinung über Ursache und Umgang mit dem Babyblues. Für die einen ist es eine gesunde Reaktion auf alle Einflüsse und Veränderungen, die mit dem Eltern-Werden verbunden sind – und das sind eine ganze Menge!
Die anderen sehen es als eine Auswirkung unserer modernen westlichen Welt, in der viele Faktoren ein ungestörtes Kennenlernen von Eltern und Kind erschweren.
Zu jenen Ursachen, die man auf rein biologische Gründe zurück führen kann, gehört zB die physische Erschöpfung aufgrund der Anstrengung während der Geburt, die körperliche Veränderung und der veränderte Hormonspiegel.
Zu den körperlichen Ursachen kommt eine nicht unerhebliche psychische Unsicherheit. Es gibt eine ganze Reihe von Ängsten im Zusammenhang mit der neuen Rolle als Mutter oder Vater: die Angst vor der Verantwortung, die Angst vor den Geburtsschmerzen, die Angst vorm Versagen als Elternteil und Ähnliches.
Nicht nur äußerlich verändert sich die Frau, wenn ihr Bauch wächst und wächst, insbesondere die innere Welt der zukünftigen Mutter oder des zukünftigen Vaters ist einer Umgestaltung unterworfen. Ihre oder seine Rolle im Familienverband wird von der des Kindes zum Elternteil selbst, was auch einen relativ plötzlichen Abschied von der eigenen Kindheit bedeutet. Dieser Rollentausch vollzieht sich in verhältnismäßig kurzer Zeit. So ist es kaum verwunderlich, dass relativ eigendynamisch eine Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit beginnt. Deshalb zeigen werdende Eltern eine deutlich höhere Bereitschaft, sich mit der eigenen Kindheit auseinanderzusetzen. Natürlich wird dabei auch einiges an Erinnerungen aufgewühlt, was eventuell neu bewältigt werden muss. Zu diesen Kriterien kommen noch Veränderungen der Familienstrukturen innerhalb der letzten Jahrzehnte und das immer weiter ansteigende Alter von Erstgebärenden.
Darüber hinaus verändert sich die Rolle – zumeist der Mutter – im sozialen Umfeld. Die neue Situation kann beispielsweise das (vorübergehende) Aufgeben des Arbeitsplatzes bedeuten. Auch innerhalb des selbst gewählten Freundeskreises kann es zu einer ganz neuen Stellung der Eltern kommen, speziell dann, wenn es in diesem noch keine anderen Babys gibt. Mitunter kann das zu Gefühlen des Ausgegrenzt-Seins oder der Isolation führen.
Besonders stark kann dieses Gefühl für all jene Eltern sein, die im Rahmen der Globalisierung und eines annähernd grenzenlosen Europas die Chance einer besseren beruflichen Kariere im Ausland wahrgenommen haben und nun in einem anderen als dem ursprünglichen Heimatland leben. Das distanziert sie zu einem gewissen Grad von ihren eigenen Eltern und Geschwistern. Außerdem können Probleme mit der fremden Sprache oder Kultur im neuen Heimatland auftreten.
Manchmal sind es auch die Anforderungen, die Eltern an sich selbst stellen, die so hoch sind, dass besonders junge Mütter oder Väter ihre eigenen Erwartungen an sich als Eltern schwer erfüllen können. Dieses Gefühl nicht gut genug zu sein, kann ungewollt von Verwandten und Freunden durch gut gemeinte Ratschläge oder eventuell auch Kritik verstärkt werden, was einen zusätzlichen Druck erzeugt.
Somit ist die Zeit der Schwangerschaft trotz all der Vorfreude auf das Baby und der Chance, eine Familie zu gründen, auch notwendiger Weise eine Zeit der Umwälzung und Auseinandersetzung mit sich selbst.
Hilfestellung
Aus medizinischer Sicht sind Eltern in Österreich während der Schwangerschaft optimal betreut und gut auf die bevorstehende Geburt vorbereitet. Aber was kommt danach? Genau dieses ‚Danach‘ ist auch die Zeit, in der der Babyblues auftritt.
Unumstritten ist eine verständnis- und liebevolle Anteilnahme durch die eigene Familie und den Freundeskreis sehr hilfreich bei der Bewältigung von Problemen, die im Zusammenhang mit postnatalen Stimmungsschwankungen auftreten.
So viel Neues kommt auf die jungen Eltern zu. Natürlich sehnen sie sich nach Sicherheit im Umgang mit dem Baby, aber nur die wenigsten haben Erfahrung mit Säuglingen, bevor sie ihr eigenes Kind zum ersten Mal im Arm halten.
Deshalb sind in den letzten Jahren verschiedene Konzepte zur Begleitung von Familien und Eltern aufgekommen, die alle samt das Ziel haben, den Eltern Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten im Umgang mit dem Baby zu geben und sie in ihrer Rolle zu bestärken. Abgesehen von der Sicherheit, die dabei werdenden Müttern und Vätern vermittelt werden, finden sich natürlich in den Gruppen andere Eltern mit ähnlichem Geburtstermin oder ähnlich alten Kindern. Der Austausch innerhalb dieser Eltern ist daher besonders förderlich und hilft auch Ängsten und Unsicherheit, die mit ein Grund für Stimmungsschwankungen nach der Geburt sind, vorzubeugen.
Spätestens mit dem Tag der Geburt ihres Kindes beginnt für junge Eltern dieses „Neue“. Daher ist ihr Bedürfnis, einen Weg aus besagter Orientierungslosigkeit zu finden, durchaus verständlich. Mütter und Väter, die sich durch den Besuch von Gruppen, die die Familie über die erste Zeit hindurch begleiten, helfen lassen, sind besser in der Lage auf die Bedürfnisse des Baby angemessen zu reagieren. Das führt schon nach kurzer Zeit zu einer sichtlich höheren Zufriedenheit auf beiden Seiten. Die positive kindliche Reaktion auf die Aktionen der Eltern bestätigt sie in ihrem Tun. Dieses Zusammenspiel zwischen Eltern und Kind wird der „Engelskreislauf“ genannt.
Eltern, die von Anfang an versierter mit ihrem Kind umgehen und mehr Sicherheit ausstrahlen, entwickeln erwiesener Maßen eine besonders gute Beziehung zu dem Kind. Das ist die ideale Grundlage für eine gute körperliche und geistige Entwicklung des Babys und Selbstvertrauen und Wohlbefinden für die Eltern.
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